Montag, 16. Oktober 2017

Die Verschmutzung des Geistes



„Die Verschmutzung des Geistes durch Bilder, die Ableitungen der Wissenschaft sind, findet ihre Analogie in der Verschmutzung der natürlichen Umwelt durch die aus eben jener Wissenschaft abgeleitete Technik. So gab beispielsweise „the survival oft he fittest“ in seiner vulgarisierten Form den Anstoß zum brutalen Naturalismus in der Literatur, erzeugte jedoch auch ein allgemeines Klima, in dem die Idee der Liquidierung von Millionen menschlicher Wesen zwecks angeblicher Sozialhygiene entstehen konnte. Zugleich schuf die Wissenschaft die technischen Voraussetzungen für den Genozid, so wie sie ein wenig früher, während des Krieges in den Schützengräben der Jahre 1914-1918, die Massakerwerkzeuge lieferte."

Czesław Miłosz (Das Zeugnis der Poesie, S. 62f)

Heute  lässt die gesellschaftliche Entwicklungen der sogenannt entwickelten Welt als auch der weniger entwickelten nicht mehr übersehen, welch hoher Preis zu zahlen ist für den unreflektierten, unkritisch übernommenen sogenannten Fortschritt der Technik. Es findet eine Umkehr von Werten statt bzw. ihre langsame Zersetzung und Aushöhlung. "Social media" intensivieren die Entfremdung und steigern die virutelle Abhängigkeit auf Kosten der realen Beziehungswelten, "Optimierung" macht breite Schichten völlig Abhängig vom enormen Leistungsdruck und verhindert durch den damit einhergehenden Zeitdruck bzw. die sogenannten "Sachzwänge" ein Innehalten, Überschauen und Nachdenken. Es gilt ein eigentümlicher Aktivismus, der nicht unähnlich dem tierisch-instinktiven Verhalten der Täter-Opfer in den Schützengräben ist, die in den beiden großen Kriegen systematisch "verheizt" worden waren bzw. willig, pervers-freudig, sich verheizen ließen. 
Die gepflegte Unverantwortlichkeit in unseren gegenwärtigen Gesellschaften wird, wenn ohne Korrektur, zu einer neuen Barbarei bisher ungeahnten Ausmaßes führen. 

 

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