Donnerstag, 29. Juni 2017

Nietzsche, Die Fröhliche Wissenschaft, 4. Buch 304

304.

Indem wir thun, lassen wir. — Im Grunde sind mir alle jene Moralen zuwider, welche sagen: „Thue diess nicht! Entsage! Ueberwinde dich!“ — ich bin dagegen jenen Moralen gut, welche mich antreiben, Etwas zu thun und wieder zu thun und von früh bis Abend, und Nachts davon zu träumen, und an gar Nichts zu denken als: diess gut zu thun, so gut als es eben mir allein möglich ist! Wer so lebt, von dem fällt fortwährend Eins um das Andere ab, was nicht zu einem solchen Leben gehört: ohne Hass und Widerwillen sieht er heute Diess und morgen Jenes von sich Abschied nehmen, den vergilbten Blättern gleich, welche jedes bewegtere Lüftchen dem Baume entführt: oder er sieht gar nicht, dass es Abschied nimmt, so streng blickt sein Auge nach seinem Ziele und überhaupt vorwärts, nicht seitwärts, rückwärts, abwärts. „Unser Thun soll bestimmen, was wir lassen: indem wir thun, lassen wir“ — so gefällt es mir, so lautet mein placitum. Aber ich will nicht mit offenen Augen meine Verarmung anstreben, ich mag alle negativen Tugenden nicht, — Tugenden, deren Wesen das Verneinen und Sichversagen selber ist.

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