Montag, 25. Juni 2012

Oskar Pastior, Herta Müller, Grass & Liao Yiwu

Herta Müller ist eine gepriesene, tapfere Frau. Sie hat die Geschichte des Oskar Pastior, eines früher gepriesenen, tapferen Mannes, ebenfalls, wie sie, aus Rumänien gebürtig und nach Deutschland geflüchtet, im Roman "Atemschaukel", der den Ausschlag gab, dass ihr der Nobelpreis zuerkannt wurde, behandelt, ausgebreitet und gedeutet. Das war geschehen, bevor bekannt wurde, dass Oskar Pastior als Spitzel für die rumänische Securtate sich verpflichten ließ.

Fieberhaft wurde gesucht, ob trotz zweimaliger Unterschrift er doch nicht denunziert habe, also eh nichts geschehen sei. Erleichtert fand man keine eindeutigen Belege. Frohgemut konnte man das Ansehen der nach ihm benannten Stiftung wieder rein und hochhalten und wird nun wohl auch den nach ihm benannten Preis reaktivieren, was in der Unruhezeit nach dem Bekanntwerden der Schattenseiten nicht opportun erschien.

Bei der jünsten Tagung am 23. Juni 2012 des Berliner Literaturhauses, dessen Leiter Ernest Wichner, ebenfalls Rumäne, ist, zum Thema Pastior & Securitate, wurden diese Ergebnisse gebührend festgestellt.

Nichts Außergewöhnliches. Nur am Rande macht es erstaunen, wie tolerant und einsichtig hier ein Rumäniendeutscher die Angst des Oskar Pastior als Entschuldigung für die Kollaboration nimmt, die eh nur formal bestanden habe. Ein ähnliches Verständnis in anderen Fällen zeigen weder der Rumäniendeutsche Richard Wagner, der Günter Grass wegen in der Grass-Israel-Affäre scharf angriff, noch die Nobelpreisträgerin Herta Müller, die sich empört über den größenwahnsinnigen Grass äußerte, der lieber schweigen hätte sollen, weil er ja als einer, der in SS-Unfirom gekämpft habe, nicht neutral sein könne. Was für ein Größenwahn, gleich die Weltpresse einzuschalten!

Welch feiner Unterschied! Ihre Sensibilität, ihre Fairness stellt die rumäniendeutsche Gepriesene auch öffentlich zur Schau, wann immer sich eine Gelegenheit bietet, ohne dabei Gefahr zu laufen, von irgend jemanden als größenwahnsinnig oder parteilich (nicht-neutral) denunziert zu werden. Zuletzt wurde das glückstrahlende Foto verbreitet, wie sie ihr Haupt an die Schulter bzw. den Hals des tapferen, gepriesenen Friedenspreisträgers des Deutschen Buchhandels legt, des Flüchtlings Liao Yiwu legt: 

Es ist ein großes Glück, dass er in Deutschland ist

Leider habe ich kein Foto aus der Banatzeit der Schriftstellerin, als sie ihr Haupt an irgendwen lehnte und strahlte. Damals hatte noch kein Grass sie empört. Den anderen Satz, der sich der Leserin aufdrängt, Welch ein Unglück, dass er in Deutschland ist, hat sie natürlich nicht gesagt und es wäre gelogen, ihn ihr unterstellen zu wollen. Manche Dinge muss man nicht sagen, wenn man andere sagt.



Die Securitate und Oskar Pastior
aleatorik, 24 Juni 2012

"Ottokar Steinior" neu gelesen
Eine Tagung im Berliner Literaturhaus zu den Securitate-Berichten des Dichters Oskar Pastior
Deutschlandfunk, 24.6.2012

Der Umschattete
OSKAR PASTIOR Schlechte Berichte, gute Gedichte: Eine Tagung in Berlin beschäftigte sich mit den Spitzeldiensten des Dichters
VON CATARINA VON WEDEMEYER, TAZ, 25.6.2012



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