Freitag, 13. Juni 2014

Auf der Suche nach der flüchtigen Zeit

Friedrich-Schiller-Universität Jena an DFG-Schwerpunktprogramm 1688 zur Zeitforschung maßgeblich beteiligt

Nichts ist flüchtiger als die Zeit. Unsichtbar ist sie, nicht zu greifen und doch verrinnt sie unaufhaltsam. Zahlreiche Wissenschaftler aus ganz Deutschland wollen nun genauer untersuchen, wie Zeitlichkeit in ihrer kulturellen und historischen Vieldeutigkeit erfahrbar gemacht und reflektiert wird. Die Forschungsstelle Europäische Romantik der Universität Jena ist ein Bestandteil eines neuen geisteswissenschaftlichen Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).
Bis heute existiert keine umfassende und einheitliche Zeittheorie, sondern ein Nebeneinander nicht voneinander ableitbarer Zeitvorstellungen", sagt Dr. Helmut Hühn von der Universität Jena. Der Literaturwissenschaftler und Philosoph gehört mit dem Kunsthistoriker Prof. Dr. Reinhard Wegner zu den Initiatoren des DFG-Schwerpunktprogramms Ästhetische Eigenzeiten. Zeit und Darstellung in einer polychronen Moderne", das gerade seine Arbeit aufgenommen hat. Im Zentrum der Forschungen stehen die Eigenzeitlichkeit der Dinge und Lebewesen und die damit verbundene globale Pluralität von Zeitlichkeiten.

Wir wollen nicht zuletzt herausfinden, wie sich die heute herrschenden Zeitordnungen herausgebildet haben", sagt Reinhard Wegner. Das Phänomen sei allgegenwärtig und werde auch schon seit dem Ende des 18. Jahrhunderts
diskutiert: Jeder Mensch habe seine eigene Zeit und stehe vor dem Problem, diese mit der Eigenzeit der Mitmenschen zu synchronisieren. Dabei komme es zu Konflikten, zu Reibungen und Verlusten, unter denen der Einzelne und die Gesellschaft als Ganzes leiden.

Das Schwerpunktprogramm verknüpft über die Zeitforschung auch die soziologische, philosophische, wissenschafts- und ästhetikgeschichtliche Moderneforschung. Als Laufzeit sind sechs Jahre vorgesehen. In der ersten Phase wurden 14 Projekte bewilligt; in Deutschland, in der Schweiz und in Österreich sind über 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beteiligt. Das Netzwerk der Zeitforscher wird zunächst drei Jahre lang von Prof. Dr. Michael Gamper von der Universität Hannover geleitet. Danach obliegen die Leitung und Koordination Prof. Wegner in Jena.

Reinhard Wegner wertet es als großen Erfolg für die Universität Jena, dass die DFG ein solch großes Vorhaben in den Geisteswissenschaften bewilligt hat. Insgesamt werden über zehn Millionen Euro dafür zur Verfügung gestellt.

Obwohl es sich um ein geisteswissenschaftliches Schwerpunktprogramm handelt, schließe das keineswegs Kooperationen mit den Naturwissenschaften aus, sagt Dr. Hühn. Ziel sei es, die Synergien der Projektpartner so zu bündeln, dass schließlich mehr herauskomme als die Summe der einzelnen Teile. Über gemeinsame Problemstellungen sind die Einzelprojekte fächerübergreifend miteinander verbunden. Einmal pro Jahr werden die Ergebnisse der Forschung auf einer großen Tagung diskutiert. Im August

2015 wird eine internationale Sommerschule des Projekts an der Universität Jena stattfinden.
Zum Start des Schwerpunktprogramms liegen die Ergebnisse eines vorbereitenden DFG-Rundgesprächs in Jena unter dem Titel Erfahrungswandel. Zur Problemgeschichte der Verzeitlichung am Anfang der Moderne" bereits vor. Sie sind zusammengefasst in dem Band Zeit der Darstellung. Ästhetische Eigenzeiten in Kunst, Literatur und Wissenschaft", den Prof. Dr. Michael Gamper und Dr. Helmut Hühn gemeinsam herausgegeben haben.


Kontakt:

Dr. Helmut Hühn

Forschungsstelle Europäische Romantik der Friedrich-Schiller-Universität Jena Fürstengraben 18 (Frommannsches Anwesen), 07743 Jena

Tel.: 03641 / 931196

E-Mail: romantikforschung[at]uni-jena.de

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