Mittwoch, 8. August 2012

Die Profession des Schriftstellers



In seinem Beitrag “Does Money Make Us Write Better?” (NYR Blog. July 20, 2012)  geht der britische Autor Tim Parks (* 1954) auf ein „heißes“ Thema ein, dem Verhältnis von Professionalität und Geld.

Er betont, wie wichtig es ihm war, als Schriftsteller nicht nur ideell anerkannt zu werden, nicht nur „für sich“, für die Schublade zu schreiben, sozusagen um des Schreibens willen, sondern publiziert und rezipiert zu werden.

Heute belegen viele beginnende Schriftsteller Schreibkurse bzw. nehmen an Schreibwerkstätten oder –schulen teil, um die nötigen Rückmeldungen zu erhalten. Aber die reichen nicht wirklich aus: „Today, of course, aspiring writers go to creative writing schools and so already have feedback from professionals. Many of them will self-publish short stories on line and receive comments from unknown readers through the web. Yet I notice on the few occasions when I have taught creative writing courses that this encouragement, professional or otherwise, is never enough. Students are glad to hear you think they can write, but they need, as I did, the confirmation of a publishing contract, which involves money. Not that they’re calculating how much money, not at this point. They’re thinking of a token of recognition—they want to exist, as writers.“

Der Status der Professionalität gewinnt man seiner Ansicht nach nicht von ein paar geneigten Lesern oder Lehrern, sondern nur dadurch, dass ein Verlag in den Autor investiert, seine Arbeiten publiziert und bezahlt.

Er erwähnt als Beispiel Robert Walser: „In his masterpiece Jakob von Gunten, Robert Walser has his young alter ego commiserate with his artist brother and question how a person can ever be at ease if his or her mental well-being depends on the critical judgment of others.”

Wie weit stimmte das bzw. stimmt es heute? Gab es nicht unzählige Autoren von hoher Qualität, deren Werke später bekannt und begehrt wurden, die fast ohne Publikum schrieben? Auch wenn der Autor ein Tagebuch, anscheinend nur für sich schreibt, richtet er sich doch an die Außenwelt, auch wenn diese nur imaginiert ist. Sie fungiert dann als Substitut für ein Publikum, für die Leserschaft, für den idealen Leser.

Wäre der Schriftsteller, der schreiben will oder muss, wie manche behaupten, so abhängig vom Publikum, würde keiner schreiben ohne Verlagsvertrag, ohne Publikationen. Aber ein Heer von Autoren, die auch unter widrigsten Umständen (Flucht, Lager, Haft, Exil, Krankheit etc.) lebten, haben nicht geschwiegen, haben nicht nur Gedanken gewälzt, sondern diese notiert, aufgeschrieben. Sie haben die Schrift gestellt, sie waren Schriftsteller, auch dann, wenn sie verfemt waren, wenn ihre Werke zu ihren Lebzeiten nicht beachtet und publiziert wurden oder, noch extremer, wenn der Autor sie gar nicht an die Öffentlichkeit übergab.

Andererseits können natürlich Bedingungen des Verlags- oder Literaturmarktes den Fortgang der schriftstellerischen Produktion beeinflussen: befördern oder behindern, wenn nicht gar verhindern. Als Beispiel einer Behinderung führt Parks Christina Stead an. 

Man könnte Gegenbeispiele anführen, wo die politische Lage, das geistige Klima, die ideologische Ausrichtung die Rezeption bestimmter Werke und Autoren überhöht, extrem befördert, man denke nur an Kafka oder Celan.

Besonders interessant an Parks Überlegungen sind aber nicht die finanziellen Aspekte, sondern die hinsichtlich einer „community of reference“: „The key idea here it seems to me is that of a community of reference. Writers can deal with a modest income if they feel they are writing toward a body of readers who are aware of their work and buy enough of it to keep the publisher happy. But the nature of contemporary globalization, with its tendency to unify markets for literature, is such that local literary communities are beginning to weaken, while the divide between those selling vast quantities of books worldwide and those selling very few and mainly on home territory is growing all the time.“

Paradoxerweise erschwert also die Globalisierung, die Leichtigkeit der elektronischen Kommunikation und Vernetzung diese notwendige Gemeinschaft, diesen Kreis von Schriftstellern und Lesern bzw. Kritikern. Denn die Märkte bauen nicht auf Diversität und Vielfalt, sondern profitable Produkte und deren Lieferanten; der Zug zur Konzentration und Angleichung bzw. marktgerechten Ausrichtung hilft den Spitzen mehr als dem Boden.

Hinzu kommen die Grenzen „kleiner“Sprachen; die Vorherrschaft weniger Weltsprachen baut Barrieren und Grenzen auf, die durch Übersetzungen nur unzureichend überwunden werden. Das mediale Umfeld hilft zur Verstärkung der Bekanntheit des bereits Bekannten. Es ist wie im Suchsystem einer Suchmaschine: nicht das, was ganz schwer zu finden ist, wird sofort gefunden, sondern das, was am bekanntesten ist. Die Orientierung an der hohen Zahl, der Quote, vergrößert die Bekanntheit, schreibt ihr einen hohen Wert zu. Nicht Vielfalt ist das Ziel, sondern Allbekanntheit oder, anders ausgedrückt, es gelten nicht Kriterien der Qualität sondern Quantität (was nicht heißen soll, dass Bestbekanntes von geringer Qualität wäre).

Aus all dem lässt sich aber auch die Bedeutung und Wichtigkeit kleiner, lokaler Zeitschriften ablesen, die die Verbindung von unbekannten oder weniger bekannten zu ihrem Publikum herstellen und halten. Kultur findet nie nur „oben“ statt und nicht nur im main stream. Je vielfältiger und lebendiger eine Kultur, desto mehr Nischen und kleine Inseln weist sie auf, die untereinander verbunden sein können. Diese kleinen Medien können sozusagen das Gewürz liefern für den großen Brei, die allgemeine Suppe.

Zudem bieten solche Kleinmedien den Beteiligten Stätten der Auseinandersetzung, die, wenn sie über Lesungen und andere Veranstaltungen das lokale Publikum ansprechen und miteinbeziehen, höchst befruchtend für die aktive Kultur sein können.  

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