Dienstag, 10. Juli 2012

Corina Caduff als Exempel einer heruntergkommenen Literatur

Corina Caduff
Eintrag Bachmannpreis-Seite

Corina Caduff
Eintrag Zürcher Hochschule der Künste

«Facebook-Autor oder Literatur-Autor?»
Die Jurorin Corina Caduff gibt Auskunft über ihre Erwartungen und Kriterien.
Tagesanzeiger Zürich


Bachmann-Wettbewerb Im Backshop stimmt die Chemie nicht mehr
Klagenfurter Dichterrennen: Ein schwacher Jahrgang stellte sich in diesem Jahr der Jury und acht von vierzehn Texten behandelten das Familienleben. Die höchste Auszeichnung bekam darum Olga Martynova für ihre elegante Künstlererzählung.
Von Jan Wiele, FAZ, 8.7.2012

Aus diesem Artikel sei ein Absatz zitiert:

Daneben offenbarten die Kritiker aber auch zahlreiche Probleme, wenn nicht Alarmsignale. Der Experimentaltext Sabine Hassingers veranlasste die neu in die Jury aufgenommene Corina Caduff zu der Überlegung, ob ein solcher Text überhaupt noch mit dem heutigen „Time Management“ vereinbar sei - also ob man überhaupt den Aufwand betreiben solle, sich hermeneutisch mit ihm zu beschäftigen. Diese gelinde gesagt überraschende Aussage bei einem der wichtigsten Literaturwettbewerbe im deutschen Sprachraum blieb zwar nicht unwidersprochen, noch dramatischer erschien hingegen in einigen Fällen nicht nur die zu milde Bewertung der Texte, sondern der Umstand, dass sie überhaupt vorgeschlagen wurden. So hatte die 1988 geborene Schweizerin Mirjam Richner eine Erzählung mit dem Titel „Bettlägerige Geheimnisse“ mitgebracht, in der etwa von „geschmolzenem Schnee im Herzen“ die Rede war und das Fazit „So ist das Leben“ lautete - Meike Feßmann lobte daran noch die Buntheit und Vielfalt.

Ja, die Schweizerin Caduff. Professorin, Doktorin und, nach ihrem time management, keine Leserin, keine die das Risiko selbst eingehen will, sondern von vornherein verbindliche Signale will, ob die Lektüre "sich lohnt". Also eine Halbgebildete.

Mit so einer Haltung hätte kein Verlag je ein Werk von Proust oder Broch oder Joyce oder Musil publiziert, weil das time management für die Gehetzten, Nervös-Modernen nie gestimmt hätte, weil es sich – nach welchen Kritierien? – nie gelohnt hätte.

Dass so eine Figur wie die Caduff überhaupt eine Juryrolle bekleidet, darf verwundern. Wie bringt sie das mit ihrem time management in Einklang? Sie wäre doch bei Twitter oder Facebook oder sonstwo in der Kurztextwelt oder den von anderen approbierten Texten besser aufgehoben.

Es gab zwar Widerrede, aber die völlig inakzeptable Haltung dieser Jurorin wurde nicht genügend gerügt und zurückgewiesen. Es waren also nicht nur etliche Beiträge schwach, sondern die Jury hat sich, auch wenn man noch so nachsichtig ist, als schwächer erwiesen.

Das alles in der Annahme einer Sinnhaftigkeit solch peinlicher Lit-Castings-Show. Sie mag der Kärntner Hauptstadt Besucher und Publizität bringen, einige Jurorinnen und Juroren belohnen und bekannter machen. Der Literatur, der seriösen (die deshalb nicht "ernst" sein muss), hilft sie sicher wenig oder nicht. Trotz time management und Verpflichtung zur Zeitbezogenheit.

Was ist schon zeitbezogen korrekt und lohnend und annehmbar? Frau Caduff sagt es selbst nicht klar. Sie schwätz, wie viele andere.

Literatur ist keine Naturwissenschaft. Im Beurteilungsprozedere so zu tun, als würde man "objektiv" gültig bewerten, auf- und ab, ist peinlich.

Da lob ich mir Preise, die hintennach preiswürdig erachteten Werken verliehen werden. Da gibt es diesen Zirkus, dieses üble Spiel, nicht. Und kein Gelabber von wegen time management. Und da nimmt man das Subjektive der Wahl bzw. des Urteils anders hin. Nicht aber bei diesem strip tease der literarischen Eitelkeiten, bei dem die Autorinnen und Autorinnen gemeinsam mit den Jurorinnen und Juroren kollaborieren: sogar die extremste Kritik bleibt innerhalb des gesteckten Rahmens, die Unterwerfung unter das Jurorenwort kennzeichnet alle Beteiligten. Sie alle machen mit. 

Eigentlich müßte das Mittun, das Mitmachen, ähnlich dem Mitläufertum, sich negativ aus die weitere literarische Arbeit auswirken. Dann hörte dieser Zirkus auf. Literatur verdient Besseres. Von allen.


Hier noch eine Meldung zum Preis des Bachmann-Wettlesens von Roman Bucheli, demjenigen, der Günter Grass beschimpfte und aburteilte:

Ingeborg-Bachmann-Preis 2012
Von der Bibel lernen
Roman Bucheli, NZZ, 8.7.2012



1 Kommentar:

  1. Wettkämpfe, ja, "Kämpfe", ähnlich den Wettstreiten olympischer Art, gab es schon im alten Griechenland. Siehe z. B. den Artikel
    Essay: Champions of Verse
    Poetry’s Relationship With the Olympics
    By TONY PERROTTET, New York Times, Sunday Book Review, Published: June 29, 2012
    http://www.nytimes.com/2012/07/01/books/review/poetrys-relationship-with-the-olympics.html?_r=1&ref=review&pagewanted=all
    Was aber nicht heißt, man müsse alles pflegen, was früher schon Kultur war. Sonst könnte man ja auch die Sklaverei, mittels der die Griechen ihre Hochkultur ermöglichten, wieder einführen...
    Schon auffällig, wie zur Rechtfertigung unreifen Streitverhaltens auf Altes zurückgegriffen wird, als ob Alter adle!

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