Donnerstag, 1. September 2011

Semprun – Der Schriftsteller

Im privaten Gespräch hat Jorge Semprún im Jahr 2005 einmal geklagt: Sein neues Buch "Zwanzig Jahre und ein Tag", das zur Franco-Zeit in Spanien spielt, habe in Frankreich auf Anhieb nur eine Auflage von 30.000 Exemplaren erzielt. Er fand das enttäuschend: "Wenn ich über Buchenwald schreibe, dann werden ganz schnell mindestens 60.000 Exemplare verkauft. Woran liegt es, dass meine Bücher, die nicht von Buchenwald handeln, sich schlechter verkaufen?" (...) Er wollte als Schriftsteller anerkannt werden, nicht als Überlebender.


So schreibt Franziska Augstein in ihrem Nachruf auf Jorge Semprún (Süddeutsche Zeitung, 8.6.2011)

Von derselben Autorin erschien 2008 bei Beck ihr Buch:

Von Treue und Verrat
Jorge Semprún und sein Jahrhundert
2008. 381 S.: mit 32 Abbildungen. Gebunden
C. H. Beck ISBN 978-3-406-57768-0

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Ein Autor kann die Rezeption seines Werkes, wenn überhaupt, nur gering beeinflussen. Oft überwiegen außerliterarische Kriterien, oft vermengen sich diese mit literarischen. Oft wirkt die Ideologie der Zeit extrem stark. Semprún verdient es, primär als Schriftsteller gelesen zu werden, erst danach als Zeuge.

Nach seinem eigenen, etwas altmodischen Verständnis eines Dichters order Schriftstellers sah er sich selbst nicht als "echten" Schriftsteller, ganz einfach, weil nichts ihn treibe. Er war kein Getriebener. Aber gerade deswegen war er freier. Nur einem Freien steht die Wahl zu. Ein Getriebener, einer, der gar nicht anders als schreiben, weil er MUSS, schreibt wie ein Süchtiger, das heisst, ohne Wahl. Er gibt einer inneren Sucht, einem Drang, einem Trieb nach. Gerade seine Abhängigkeit als Getriebener führt zu seinen Eergüssen. Dass diese von einer verbildeten Leserschaft als geniale Produktionen mehr geschätzt werden, als die Produktionen des frei oder freier Handelnden, wirft ein bezeichnendes Licht auf das Publikum und seine alten, verbohrten Ansichten. Rudimente eines unbewältigten Geniekults, obsolet und peinlich.

Getriebene sollten uns verdächtig sein. Gut, dass Semprún keiner war.

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